Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

Freizeit und Kultur im Nachbarschaftsheim

02.07.2020 / Gewerbe im Kiez

Wie viele Hilfen brauchen Schönebergs Restaurants? Und Wann?

Von Christine Bitterwolf Nachdem alle Berliner Restaurants wegen der Corona-Epidemie schließen mussten, durften sie ab 15. Mai wieder öffnen.
Foto: Thomas Thieme

Allerdings nur mit strengen Auflagen, u.a. Tische mit mindestens 1,5 Meter Ab-stand von einander, kein Ausschank am Tresen, kein Büfett, nur Tellergerichte am Tisch. Das heißt: großer Aufwand für wenige Leute. Für viele Gaststätten wenig lukrativ, wenn man bedenkt, dass die Tische in einigen Lokalen früher so eng standen, dass selbst die Kellner kaum dazwischen durchkamen, und dass die Stühle so dicht standen, dass mancher Gast rutschen musste, wenn am Nachbartisch jemand aufstehen wollte. Um den Restaurants mehr Möglichkeiten zu geben, zusätzliche Tische aufzustellen, kamen manche Politiker auf die Idee, den Gastwirten mehr Raum auf den Gehwegen einzuräumen. So schlug auch der stellvertretende Vorsitzende der Ortsgruppe Schöneberg in der FDP vor, einige Straßen zu einer Genießer-Meile umzufunktionieren, allen voran die Maaßenstraße. Die Restaurants sollten ihre Tische und Stühle auf dem gesamten Gehweg aufstellen können, die Fußgänger und Radfahrer könnten den Fahrdamm nutzen und für Autofahrer würde die Straße abends bis 23.00 Uhr und am Wochenende völlig gesperrt werden. Die Pressemeldung dazu kam schon am 14. Mai, noch vor der eigentlichen Öffnung. Einige Tageszeitungen berichteten sofort darüber. Aber dann geschah erstmal nichts.

Andere Bezirke in Berlin hatten ähnliche Ideen.

Schon eine Woche später wollte man auch in Friedrichshain-Kreuzberg ganze Straßen für die Restaurants freigeben und für den Autoverkehr sperren. In Pankow kam man auf den Gedanken, die Außenbereiche zu erweitern und evtl. Parkplätze für Restauranttische zu opfern.  Auch in Steglitz Zehlendorf waren sich alle Fraktionen einig, die Außenbereiche der Gastronomie zu erweitern. Charlottenburg-Wilmersdorf wollte die Außenbereiche konkret um 20 cm erweitern. Nur von Schöneberg war nichts zu hören.

Dann stellte Friedrichshain-Kreuzberg fest, dass das Sperren der Straßen für vergleichbar kurze Zeitabschnitte zu aufwändig ist und wollte nur Anträgen einzelner Restaurants stattgeben. Pankow informierte darüber, dass die Bearbeitung der individuellen Anträge sehr zeitaufwändig sei. Mitte sah überhaupt keinen Bedarf, weil die Restaurants hier überwiegend von Touristen besucht werden, die z. Zt. sowieso nicht in die Stadt reisen durften. Die Tageszeitungen berichteten darüber. Nur von den Überlegungen in Schöneberg wurde nichts bekannt.

Eine Anfrage dieser Zeitung wurde von dem stellvertretenden Ortsgruppen-Vorsitzenden der FDP, die unsere Recherche ins Rollen brachte, nicht beantwortet.

Endlich tagte Ende Mai wieder die BVV, und tatsächlich gab es auch eine Anfrage zum Gastronomiebereich. Allerdings kam die von der FDP zusammen mit anderen Parteien, und sie war wesentlich abgeschwächter als die Forderungen vom 14.5.. Jetzt ging es nur noch darum, den Gastwirten pauschal zu erlauben, mehr Platz auf den Gehwegen zu nutzen, wenn wenigstens 2 Meter frei blieben und niemand dadurch gefährdet wird. Auf eine weitere Anfrage dieser Zeitung nach Details aus der Erörterung in der BVV, teilte der stellvertretende Ortsgruppenvorsitzende der FDP lediglich mit, er sei nicht mehr zuständig.
Die nun zuständige Kollegin in der BVV bestätigte, dass man nicht nur einzelnen Straßenzügen, sondern allen Restaurants Hilfe anbieten möchte. Und dass dabei natürlich auch die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer, nämlich der Radfahrer und Fußgänger, berücksichtigt werden muss. Details über die Art und Weise der Hilfen für Gaststätten konnte sie noch nicht nennen, denn nun sei erstmal das Bezirksamt dran zu handeln.

Das Bezirksamt von Tempelhof-Schöneberg hat als erstes eine Bedarfsanalyse in Auftrag gegeben, denn bisher sind nur sehr vereinzelt Anträge auf Sondernutzung der Gehwege  gestellt worden. Man geht davon aus, dass das Ergebnis dieser Bedarfsanalyse bis Ende Juni vorliegen wird. Danach soll dann in einem weiteren Ausschuss überlegt werden, was veranlasst werden könnte.

Zur Zeit scheint es fast so, als wenn die Gastronomie kaum Bedarf an zusätzlichen Stellflächen für Tische hat. Vielleicht, weil die Schöneberger wirklich noch sehr vorsichtig sind und lieber wenig Kontakt zu fremden Menschen suchen. Vielleicht gehen die Leute aber tatsächlich weniger auswärts essen, weil Kurzarbeit und gekündigte Arbeitsplätze diesen Luxus nicht mehr zulassen. Vielleicht kochen aber auch viele Angestellte, die früher in der Mittagspause irgendwo eine Kleinigkeit gegessen hatten, im Home-Office ihr Mittagessen selber.
Eventuell reagieren tatsächlich viele Restaurants, die auf mehr Zulauf hoffen, nach dem Aufruf ihren Bedarf anzumelden. Allerdings wurden schon vorab beim Aufruf zur Teilnahme an der Bedarfsanalyse die Bedingungen mitgeteilt, unter denen die Bewirtung auf Straßenland anschließend nur möglich sein wird. Die Wirte müssen nämlich ein Pfandsystem einführen, wenn sie die Speisen draußen auf Einweggeschirr servieren. Es müssen mindestens 2 Meter Gehweg freigehalten werden. Und jeder Gastwirt muss selber entsprechend der verkehrsrechtlichen Anordnungen für Absperrungen und Schilder an seinem Bereich sorgen und ggf. Ordner-Personal einstellen.

Möglicherweise werden vom Senat in den nächsten Wochen weitere Lockerungen bei den Kontaktbeschränkungen zugelassen. Möglicherweise können die Restaurants bald wieder zur Normalität übergehen. Dann hat sich die Idee, die noch vor der Öffnung der Restaurants, vielleicht etwas voreilig, in die Öffentlichkeit gegeben wurde, durch langwieriges Planen und Überlegen im Laufe der Zeit inzwischen überholt.

Das wäre sicher für alle die einfachste Lösung.