Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

Freizeit und Kultur im Nachbarschaftsheim

27.05.2020 / Orte und Plätze

Wie ich in Coronazeiten auf den Markt ging

Sigrid Wiegand Meinem Enkel, dem Maskennäher, ist das Gummiband ausgegangen. Lass uns zum Maybachufer auf den Markt gehen, sagt er am Telefon, da ist das Gummiband billig.
Foto: Susanne Schmich

Mir passt das ganz gut, da kann ich gleich nach einer Kasserolle suchen, Sie wissen schon, dieser kleine praktische Stiltopf. Für meinen Gasherd brauche ich einen mit dünnem Boden, den bekomme ich im Warenhaus nicht. Das Wetter ist halbwegs angenehm, Sonne- und Wolkenmix, nicht so windig. Der Weg von Friedenau zum Kottbusser Damm ist etwas umständlich; man kann nicht alles haben. Also die Maske aufs Gesicht und ab in die U-Bahn. Der Enkel kommt aus Friedrichshain, wir treffen uns am U-Bahnfahrstuhl am Kotti, auf der Straßenebene, und laufen den Kottbusser Damm entlang. Ziemlich voll hier, kaum möglich, Abstand zu halten.

Am Eingang zum Markt stauen sich die Menschen: gesperrt! „Bitte haben Sie Verständnis – Corona“ usw. Was bleibt uns übrig, wir schließen uns der Hammelherde an und laufen zum Hinterausgang, der jetzt ein Eingang ist. An der Schinkestraße stoßen wir wieder auf eine Menschenschlange, die Abstandsregel verlängert ihn, wir müssen warten, man wird schubweise hineingelassen. Als wir endlich auf dem Markt sind, genießen wir die relativ leeren Gänge zwischen den Ständen. Ein Markt ohne Gedrängel – auch etwas Neues! Trotzdem ist es schwierig, Abstand zu halten, die Menschen bleiben hier und da abrupt stehen, schauen nach diesem und jenem, es geht zu wie auf der Echternacher Springprozession: bleibt jemand stehen, weicht die Menge hinter ihm zurück; weil sie aber eigentlich vorwärts will, geht sie wieder einen Schritt nach vorn und noch einen, dann wieder zurück. Leider habe ich keine Videokamara dabei.

Die Rufe der Marktleute wie eh und je: „Lecker, lecker, lecker – Aprikooosen, Kirschen, billig, billig ...“ Ich will aber keine Früchte, ich will einen Topf. Der Enkel hat schnell sein Gummiband gefunden, es gibt mehrere Stände mit Nähzubehör, aber keine Töpfe. Wir grasen den Markt ab, aber der Stand ist nicht mehr da. Ärgerlich. „Komm, lass uns gehen.“ Selbst ein halbvoller Markt ist mir zuviel mit diesem Hin und Her. Gehen wir was essen. Auf dem Weg zum Ausgang, der sonst der Eingang an der Brücke ist, schau ich noch bei den Blumenständen vorbei, ich möchte Maiglöckchen haben. Es gibt aber keine, warum auch immer. Ist nicht mein Tag heute.

Bei der Ankerklause sind alle Tische besetzt. Bei einem türkischen Imbiss auf der anderen Straßenseite erspähen wir einen leeren Tisch ganz für uns allein und sputen uns, eh der auch besetzt ist. Ein türkischer Gemüseeintopf mit Hammelfleisch ist jetzt genau das Richtige!

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