Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

Freizeit und Kultur im Nachbarschaftsheim

02.03.2017 / Gewerbe im Kiez

Wie der Vater, so die Tochter

Von außen ist das Ladengeschäft eher unauffällig, innen jedoch ist es bunt und quirlig, überall hängen Kleidungsstücke, das Radio dudelt so vor sich hin, die Nähmaschine rattert. Das ist das „Reich“ von Eylem Ünsal, einer jungen Schneiderin mit türkischen Wurzeln.
Foto: Christine Sugg

Schon seit 20 Jahren arbeitet sie in diesem Geschäft, das vorher ihrem Vater gehörte. Überhaupt der Vater ... er ist eine wichtige Person für sie und nicht zuletzt für die Steglitzer Kunden. In der Türkei hatte er das Schneiderhandwerk erlernt und war dort Ende der 60er Jahre angeworben worden, um in Berlin in der Konfektion zu arbeiten. Wie bei vielen Gastarbeitern zog die Familie nach, und Eylem wurde in Berlin geboren.

Nachdem Herr Ünsal arbeitslos geworden war, wagte er es 1978, sich mit einer Änderungsschneiderei im Bornmarkt im Forum Steglitz selbstständig zu machen. Als später das Forum renoviert wurde, wurde der heutige Laden in der Schöneberger Straße von ihm angemietet. Zunächst sollte es nur eine Übergangslösung sein, ein fester neuer Standort ist daraus geworden.

Eylem Ünsal war schon als Kind ständig beim Vater in der Schneiderei. Sie liebte es,  dort zuzuschauen. Ihr Interesse und ihre Begeisterung für den Beruf hat sie bis ins Erwachsenenleben beibehalten, und so übernahm sie vor ein paar Jahren das Geschäft des Vaters. Viel hat sie bei ihm gelernt. Die Familie hatte zwar andere Pläne und wollte, dass sie Abitur und eine weiterführende Ausbildung macht, aber Eylem Ünsal  zog die Änderungsschneiderei vor.

Ihr Leistungsangebot ist vielseitig: Leder und Pelzänderungen, sämtliche Schneiderarbeiten, Kürzen, Verlängern, Weiten von Kleidungsstücken, Reißverschlüsse anbringen und natürlich auch Reparaturen. Denn trotz der vielen Billigkleidung heutzutage gibt es Gott sei Dank noch Kunden, die hochwertige Bekleidung kaufen, die nach längerem Tragen repariert werden muss bzw. repariert werden kann. Frau Ünsal berichtet außerdem, dass viele ihrer Kunden ihre Bekleidung zum Teil auf Flohmärkten oder im Second Hand-Laden  kaufen und dann von ihr ändern lassen. Dies gefällt ihr besonders gut, denn diese Kunden haben nicht nur ihren individuellen Stil, sondern haben auch Sinn für Nachhaltigkeit und ihre Umwelt. A propos Kunden, zwei Drittel sind Stammkunden, der Rest ist Laufkundschaft. Mit ihren Kunden hat Frau Ünsal, wohl wegen ihrer sympathischen Art und ihrer korrekten Preise, kaum Probleme.

Frau Ünsal ist verheiratet und hat mittlerweile eine 3 1/2 jährige Tochter. Trotz oder gerade wegen ihrer Selbstständigkeit findet sie ihre Doppelrolle als Mutter und Geschäftsfrau nicht einfach. Da ihre Eltern jetzt wieder in der Türkei leben, ist es für sie häufig schwierig, gut für ihre Tochter zu sorgen, dies gilt vor allem für die Kinderbetreuung am Samstag. Im Moment arbeitet sie alleine im Laden und möchte deshalb ihre Arbeitszeit verkürzen. So wird sie ab März dieses Jahres um 17h statt um 18h schließen und am Samstag bleibt der Laden geschlossen. Längerfristig sucht sie Verstärkung. Eine Frau, das fände sie gut, denn Frauen und vor allem orientalische Frauen, fühlten sich bei einer Frau als Schneiderin besser aufgehoben. Angeblich ist die Änderungsschneiderei jedoch eher eine Männerdomäne, umso mehr hoffen wir auf weitere kompetente Frauen.

Christine Sugg

E. Ünsal, Schöneberger Str. 12 in 12163 Berlin, Tel. 792 14 44
Öffnungszeiten: Mo-Fr  9-17 Uhr