Vom Wert der Arbeit






„Sie üben mit unseren Kleinen erste Buchstaben, sie reparieren Schulmöbel, informieren über Selbsthilfegruppen und Energiesparen, organisieren Lebensmittel und kochen für Menschen in Notlagen, schieben Rollstühle, sind geduldige Gesprächspartner für an Demenz Erkrankte“, heißt es in einem Flyer zur Ausstellung. Auf lebensgroßen Bildertafeln stellen sich 14 Menschen vor, die in Bereichen wie Kitas, Schulen, Nachbarschaftshäusern, in Jugendeinrichtungen und in der Wohnungslosenhilfe tätig sind. Sie berichten, warum und mit welchen Zielen und Hoffnungen sie dort arbeiten. Allen gemeinsam ist, dass sie ihrer Arbeit offensichtlich mit viel Engagement und gerne nachgehen.
Die finanzielle Anerkennung ihrer Arbeit ist allerdings bescheiden. Sie erhalten 1.50 EUR pro Stunde - zuzüglich der ALG II Leistungen. Und auch die Perspektive, die sich ihnen auf lange Sicht bietet, ist ungewiss. Die Stellen sind zeitlich befristet und stellen kein reguläres Beschäftigungsverhältnis dar. Die Betroffenen können sich nicht auf das Arbeitsrecht berufen. Die zu fördernden Tätigkeiten sollen laut Gesetz „zusätzlich“ sein und „im öffentlichen Interesse“ liegen. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat schon 2006 moniert, dass diese gesetzliche Regelung äußerst schwammig ist und z. B. dazu führt, dass auch Tätigkeiten in gewerblich-unternehmerischen Einrichtungen und in der öffentlichen Verwaltung durch MAE-Jobs ersetzt werden.
Das Bundesministerium für Arbeit wird dieses Jahr die Mittel für MAE-Maßnahmen drastisch kürzen. Begründet wird dies mit den Sparvorgaben der Bundesregierung, gleichzeitig stellte auch der Bundesrechnungshof kritisch fest, dass die MAE-Jobs fast zur Hälfte reguläre Stellen verdrängen. Es konnte darüber hinaus nicht nachgewiesen werden, dass für Langzeitarbeitslose durch die Tätigkeiten tatsächlich eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt gebaut wird. Die Abschaffung der MAE-Maßnahmen wurde seit langem von mehreren Seiten gefordert.
Die Kritik an den MAE-Jobs vernachlässigt jedoch den Wert, den die Arbeit für die Betroffenen selbst darstellt. „Ich kenne viele Menschen, die durch eine Beschäftigungsmaßnahme bzw. eine MAE nach langer Arbeitslosigkeit erstmals wieder so etwas wie Bestätigung durch Arbeit erlebt haben. Das Gefühl, etwas zu leisten, gebraucht zu werden und sich erfolgreich Herausforderungen zu stellen hat vielen Menschen gut getan“, betont der Schöneberger SPD-Abgeordnete Lars Oberg.
Der Berliner Senat will exemplarisch zeigen, dass öffentlich geförderte Beschäftigung existenzsichernd sein kann. Ein Mindestbruttogehalt von 1300 EUR und eine dreijährige Beschäftigungsdauer sollen Langzeitarbeitslosen eine reelle Perspektive bieten. „Trotz der Kürzungen der Bundesagentur nimmt sich das Land Berlin für 2012 und 2013 vor, 5.000 ÖBS-Stellen zu sichern. Nützliche gesellschaftliche Tätigkeiten, die sonst nicht erfüllt würden, werden von engagierten Mitarbeitern geleistet“, meint Harald Gindra von Der Linken.
Allerdings sind ÖBS oder die sogenannte „Bürgerarbeit“ ebenfalls umstritten. Alexandra Arnsburg von der Gewerkschaft ver.di warnt davor, „Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst durch, in der Regel befristete, Billigjobs zu ersetzen und auf diese Weise den Niedriglohnsektor zu zementieren.“ Es gehe den meisten ÖBS-Beschäftigten finanziell meist nicht besser als mit Hartz IV. „Der ÖBS stellt zu-dem nicht nur eine billige Alternative zu den ehemals öffentlichen Dienstleistungen dar, sondern untergräbt auch die Verhandlungsposition der Gewerkschaften.“
Die unterschiedlichen Positionen zeigen, dass ein Nachdenken über den Wert von Arbeit und die Notwendigkeit, der Arbeitsleistung von Menschen gesellschaftlich und finanziell Anerkennung zu zollen, sehr wichtig ist.
Eine Gelegenheit zur Diskussion bietet sich am 31. Mai um 19.30 Uhr in der Urania. Dort sollen bei einem Podiumsgespräch neben Expertinnen und Experten auch Betroffene zu Wort kommen und über den Stellenwert öffentlich geförderter Beschäftigungsmaßnahmen sprechen.
Am 16. Juni wird das Theater der Erfahrungen einen satirischen Blick in die Zukunft der Arbeit werfen: “Hartz IX“ heißt das Theaterstück. Die Ausstellung wird bis 24. Juni in der Urania bleiben, danach wandert sie durch die Berliner Bezirke.
Isolde Peter
Fotos: Heidi Scherm