Schicksal der Bücherei im Friedenauer Rathaus
Im Gespräch mit Dieter Hapel, wurde deutlich, dass es dem Credo der Berliner Politik, Bildung müsse absoluten Vorrang haben, vollkommen widersprechen würde, diesen Bibliotheksstandort aufzugeben, denn in allen Bereichen konnte unsere kleine Bücherei im letzten Jahr Nutzungssteigerungen vorweisen. Die Zahlen für 2010 sind beeindruckend: 71.979 Besucher (+ 5 %), das sind 350 Besucher pro Tag; 137.428 Entleihungen im Jahr.
196 Gruppen aus Schulen und Kitas besuchten die Bücherei (+ 16 %), insgesamt wurden 3.213 Kinder durch die Räume geführt (+ 8 %). Lesekompetenz schulen, wie es die PISA-Studien nahelegen: Hier gelingt es, Tendenz steigend. Der Grund: Die Bücherei ist fußläufig erreichbar.
Die engagierten Bibliotheksmitarbeiterinnen sind an diesem Erfolg maßgeblich beteiligt. Obwohl auch beim Personal gekürzt wurde, werden mehr Führungen und Beratungen durchgeführt denn je, zum Teil mit einem zusätzlichen Zeitaufwand, der schon einer ehrenamtlichen Tätigkeit nahekommt.
Der Verkauf des Rathauses scheint jedoch beschlossene Sache. „Eines der drei Bezirksrathäuser muss aufgegeben werden, denn die Haushaltslage ist dramatisch“, sagte Hapel. Die anderen beiden Rathäuser sind das Schöneberger und das Tempelhofer. So schwierig sei die Lage, dass bei weiterer Verschuldung eine Konsolidierungsverwaltung durch den Finanzsenator drohe, „und das wollen wir abwenden“, so Hapel. Der Bezirk weiß selbst am besten, was er benötigt.
In den Protokollen steht ein Schließungsdatum für die Bücherei schon fest: der 31.12.2011. Doch weder der Leiter der Stadtteilbibliothek Dr. Boese noch Dieter Hapel wollen diesen Termin bestätigen, denn „die Gerhart-Hauptmann-Bücherei hat einen starken Rückhalt in der Bevölkerung“, hat Dr. Boese erkannt. Daher sind bis-her drei Optionen im Gespräch. Erstens: die Zusammenlegung mehrerer kleinerer Büchereien zu einer besonders großen Bibliothek; zweitens: neue Räume für die jetzige Bücherei, möglichst nah zum aktuellen Standort; und drittens: der Erhalt der Bücherei wie bisher im Rathaus.
Letztere Variante würde voraussetzen, dass ein neuer Investor für den Erhalt gewonnen werden kann, ähnlich wie bei der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek in Steglitz, die sich im sogenannten Schloss befindet.
Interessenskonflikt
Im öffentlichen Dienst wird gespart, es zählen Kosten statt Qualität. „Wir leisten uns im Vergleich zu anderen Bezirken zuviel Infrastruktur“, meint Hapel. Zu-viel Infrastruktur, das sind zum Beispiel Schulräume, die nicht mit einer Schulklasse gefüllt, sondern für Teilungsunterricht zur Verfügung gestellt werden. So etwas erhöht die Kosten pro Schulkind. Für Rationalisierer liegt da Optimierungspotential. Man kann es auch Ökonomisierung von Bildung nennen.
Nun hilft es nicht zu erforschen, wie genau die Löcher aufgerissen wurden, außer um es eines Tages besser zu machen. Zu fragen ist, wie mit dieser Mangelwirtschaft konstruktiv umgegangen werden kann. Wer privat seine Ausgaben bedenkt, hat immer die Wahl: Weniger Konsum, dafür aber hochwertige Produkte kaufen, oder schnelle Befriedigung, doch die Ware ist nach 2 Jahren irreparabel entzwei. Allerdings: Kann dergleichen für Bildung und damit für die Persönlichkeitsentwicklung künftiger Bürger und ihre Bedeutung für die Wirtschaft, für die Zukunft der Stadt gelten?
Folglich wäre eine gemeindegerechte Lösung nötig, die die stadtteilnahe Bücherei erhält. Gleichzeitig ist das symbolträchtige Rathaus mit seinen hohen Räumen und den riesigen Fluren kostspielig in der Unterhaltung.
Was können wir tun?
„Das beste Argument für den Erhalt der Bücherei ist es, sie zu nutzen“, betont Stadtrat Hapel. „Je mehr Menschen sie besuchen, desto deutlicher wird es, dass man nicht auf sie verzichten kann.“
Ideen entwickeln, Ärmel hochkrempeln, Lösungen suchen.
Welche Standorte könnten notfalls die Friedenauer Bücherei aufnehmen? Sie besteht derzeit auf 357 m², es dürfen aber gern auch mehr sein. Angebote bitte an Bezirksstadtrat Dieter Hapel, Rathaus Schöneberg, John-F.-Kennedy-Platz, 10820 Berlin.
Welcher Investor würde sich gern mit der Bücherei schmücken und sich in der Gemeinde zu einem geschätzten Partner machen, in-dem er die Fassade des Rathauses restauriert? Wen kennen wir und könnten ihn ansprechen? Oder gibt es ganz andere Ergebnisse aus bürgerschaftlichem Brainstorming? Auch Bundespräsident Wulff hat erkannt, wie wichtig Bürgerbeteiligung ist, und will ab März eine Bürgeranhörung im Internet ins Leben rufen (vgl. Tsp. vom 20.1.2011). Denn wer sind Politiker? Bürger, die von anderen Bürgern mit der Aufgabe betraut wurden, für das Gemeinwohl im Sinne aller Bürger zu sorgen. Wünschenswert sind deshalb Respekt und Anerkennung jeden Bürgers für Arbeit und Bedürfnisse jedes anderen Bürgers.
Eigentlich sollte auch Bezirksstadtrat Bernd Krömer (u.a. Bauen, Facilitymanagement) interviewt werden, doch eine Krankheit kam dazwischen. In der Aprilausgabe hoffen wir dies nachzuholen.
Wer übrigens die Schöneberger Büchereibestände insgesamt erweitern möchte, kann dies über die ekz Bibliotheksservice GmbH tun, Kto. 749, BLZ 64050000, Stichwort Geschenk für Ihre Bibliothek 1000-038 Berlin. Auf das dort anlaufende Geld kann die Bibliothek direkt zugreifen. Allerdings ohne Spendenquittung – vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken?
Sanna v. Zedlitz