Kiezkrimi: Das Verbrechen rückt näher
Heimatschriftsteller sind in unserer Zeit verpönt, wenn nicht sogar ganz und gar ausgestorben. Beim Lokalkrimi wird weiterhin das Bedürfnis der Leser, etwas über fremde Landstriche oder die eigene Umgebung zu erfahren, befriedigt. Immer mehr im Heimatboden verwurzelte Verbrechen werden literarisch ans Licht gezerrt.
Die Claims werden kleinteiliger abgesteckt. Das Verbrechen rückt näher. So wird jetzt auch der Schöneberger Kiez durchsucht, genauer die Rote Insel und das sie umgebende Häusermeer.
Das hat natürlich eine große Faszination und wertet das eigene Erleben auf, wenn die Straßen, durch die man selbst schon seit Ewigkeiten läuft, in einem Buch auftauchen. Aber „Stadt der Spitzel“ von Hans Helmich ist auch für Leser, die nicht im Kiez wohnen, interessant. Was auch daran abzulesen ist, dass das Buch wochenlang in der Krimibuchhandlung Hammett (in der Friesenstraße) auf Platz 1 der Krimi-Hitliste stand.
Eine eingemauerte Leiche in der Bautzener Straße, ein Bier im Felsenkeller, Schnee in der Langenscheidtstraße, ein Café in der Hauptstraße. Der Detektiv, Martin Pollock, ist Polizeireporter und fährt U-Bahn. Genauer die U7. Er steigt am Kleistpark aus und geht über die Langenscheidtstraße nach Hause. Fußweg 3 Minuten.
Im winterlichen Berlin werden in einem Abbruchhaus menschliche Knochen gefunden – eingemauert. Die Spur führt Martin Pollock in die Berliner Hausbesetzer-Szene der 70er und 80er Jahre. Es war die Zeit des Protestes gegen Atomkraft, gegen die Nachrüstung, gegen Immobilienspekulanten. Eine politisch gesehen turbulente Zeit. Auch befand sich Berlin – heute schon fast vergessen – noch immer im Kalten Krieg. Seine Nachforschungen, die durch einen anonymen Anruf in Gang gesetzt werden, bleiben nicht unbemerkt. Pollock gerät in ein Netz, gewoben aus Verrat und Macht.
Hans Helmich, geboren 1966, arbeitete u. a. als Politikredakteur für den Berliner „Tagesspiegel“ und als Redakteur im ARD-Studio Warschau. Heute ist er Redakteur bei DW-TV (Deutsche Welle), dem Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland. Der Autor schafft es, die Aktivisten der Hausbesetzerszene glaubwürdig aufleben zu lassen. „Stadt der Spitzel“ ist sein Krimi-Debüt.
Ulrike Götting
Weitere Kiezkrimis aus Friedenau:
Sanna v. Zedlitz: „Betty Bolle und die rätselhafte Fremde“ (leider noch nicht veröffentlicht)
Barbara Gantenbein: „Todesspiel in Friedenau“