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Freizeit und Kultur im Nachbarschaftsheim

04.03.2015 / Orte und Plätze

Kaisereiche überstand Bombenangriff

Im Februar d .J. berichteten fast alle Berliner Medien über die furchtbaren alliierten Fliegerangriffe vom 13. Februar 1943 auf Dresden und vom 3. Februar 1945 auf Berlin.
Fotos: Archiv Museen Tempelhof-Schöneberg

Wir erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass auch am 1. März 1943 ein großer Fliegerangriff stattfand, der im Umfeld der Kaisereiche ein zerstörtes Gelände hinterließ, auf der heute das Gebäude der Fläming-Schule steht und von dem nur noch fragmentarische Reste der Illstraße in Friedenau  vorhanden sind. Damit beantworten wir Fragen, die immer weder aus der Nachbarschaft gestellt werden. Auch für die architektonisch bemerkenswerte  Bauweise der „Grazer Siedlung“ liefern wir eine Erklärung (s. Anm. 2).

1. März 1943, Fliegeralarm in der Nacht zum 2. März, Großangriff  Nr. 103 der Royal Air Force von 21.00 bis 0.05 Uhr auf Berlin. 251 Flugzeuge, 35 Luftminen, 121 Sprengbomben, über 6.000 Brandbomben. Spezieller Einsatz von britischen Luftminen mit bis zu 5.500 kg Gewicht. Ein wichtiges Ziel in Schöneberg, die damals militärisch wichtigen Goerzwerke  in Friedenau, wurde nicht getroffen, dafür aber die meisten Häuser der nahegelegenen Illstraße in Schutt und Asche gelegt. Augenzeuge Oskar Dahlke aus Friedenau  berichtet: „ … Endlich hatte ich den Blick frei auf die Illstraße. Ein schrecklicher Anblick bot sich mir, eine zerstörte Straße. Eine Luftmine hatte die Illstraße getroffen, hatte die Fassaden der Häuser zu beiden Seiten der Straße kraterförmig heruntergerissen. Über allem lag eine dicke Staubschicht.  Die Eckhäuser am Ende der Straße ragten noch hoch. …. Da wo unsere Wohnung im Erdgeschoß einmal war, brannte es noch, züngelten noch die Flammen. Die Decken der darüberliegenden Wohnungen waren herabgestürzt. Es bestand Einsturzgefahr … .

Ich sprach mit Anwohnern und hörte dann, daß im Haus gegenüber der Luftschutzkeller eingestürzt sei, es gab Tote. In unserem Haus war der Ausgang aus dem Luftschutzkeller verschüttet worden, die, die in der Nähe der Tür gestanden hatten, waren verletzt, aber alle hätten sich befreien  können. Aus den Wohnungen hatte keiner etwas retten können, denn es hätte sofort gebrannt und der Schock lähmte sie. Ich raffte mich auf, hier konnte ich nichts mehr tun, alles was wir besessen hatten, war verbrannt, hatte sich in Schutt und Asche verwandelt. Es war trostlos, maßlos traurig….“
Quelle: Oskar Dalcke: Bomben auf Friedenau. In: Nachbarschaftsheim Friedenau: Erinnerungen aus 125 Jahren Friedenau. Berlin 1997, Seite 30 ff.

Anmerkungen: 1. Die britischen Luftminen (Großladungsbomben) vom Typ HC hatten ein Gewicht von ca. 800 bis 5.500 kg, waren mehrere Meter lang und ca. ein Meter im Durchmesser. Die Bevölkerung nannte sie fatalistisch „Wohnblockknacker“, „Badeofen“ oder „Litfasssäule“ Ihre Detonationen lösten unerhört starke Druckwellen aus, die im Umkreis von 100 Metern alle Gebäude sowie im Umkreis von zwei Kilometern Türen und Fenster zerstörten. Direkte Opfer der Luftminen starben an Lungenriß.

2. Die von 1938 bis 1940 gebaute „Grazer Siedlung“ am Grazer Damm in Schöneberg gilt als Mustersiedlung nationalsozialistischer Bauart im Kontext zu einem geplanten Krieg, in der auch das Prinzip der „Luftschutzgerechten Stadt“ umgesetzt wurde: Einfache Wohnungen; Billigbau; Blockbauweise um einen riesigen Innenhof, der aufgrund seiner großen Freifläche auch den starken Detonationsdruck von Luftminen im Fall eines Bombenangriffs nach oben leitete und somit die Häuser vor Zerstörungen bewahren konnte.

Hartmut Ulrich

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