Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

Freizeit und Kultur im Nachbarschaftsheim

02.04.2017 / Menschen in Schöneberg

Hundearbeit

1917: Nur „Ziehhunde“ waren auf dem Breslauer Platz zu sehen, und die lagen auch noch angekettet zwischen den Marktständen und trugen Maulkörbe.
Der „Tragehund“, Foto: Hartmut Ulrich

Auf dem Weg zum Marktplatz mussten sie im Gespann vor dem Wagen mit einer „Ziehleine“ geführt werden, und ihre Führungsperson durfte nicht auf dem kleinen Wagen Platz nehmen, sondern musste daneben laufen. Andere Hunde waren auf dem Marktplatz nicht erlaubt, denn es galt das Betretungsverbot für Hunde an Stätten, in denen Lebensmittel feilgehalten wurden.

An anderen Orten mussten die Hunde an einer höchstens 1,5 m langen Leine geführt werden; alternativ wurde ihnen ein Maulkorb aufgebrummt, der das „Beißen, nicht aber das Saufen“ verhindern sollte. Kinderspielplätze und Parkanlagen waren für Hunde tabu. Nächtlich herumlaufende Hunde ohne Aufsicht konnten eingefangen und getötet werden. Rechtsgrundlage dafür waren damals die preußische Polizeiverordnung über das „Halten von Hunden“ von 1906 und das „Tierseuchengesetz“ von 1909, mit dessen Hilfe vor allem die grassierende „Hundewuth“ (Tollwut) eingedämmt werden sollte.

An der Front im nunmehr vierjährigen Weltkrieg mussten Hunde zunehmend  andere Arbeiten verrichten. Hier waren Tausende (geschätzt 6.000)  von „Sanitätshunden“ als „Suchhunde“ im Einsatz. Sie trugen Riemenzeug mit Rotkreuz-Symbol, nachts eine elektrische Laterne und zum Schutz gegen Grantsplitter usw. lederne Pfotenschuhe. Die Hunde wurden vom „Deutschen Verein für Sanitätshunde“ mit dem Bestreben, das deutsche Heer mit für die Verwundetensuche brauchbaren Sanitätshunden zu versorgen, ausgebildet und an die Front geschickt. Der Chef des Feldsanitätswesens lobte deren „erfolgreiche Arbeit bei der Suche nach Verwundeten, Verschütteten usw. „und bat angesichts der zunehmenden hohen Zahl der Kriegserblindeten im Verlauf des Krieges  auch um die Bereitstellung von dressierten „Kriegsblindenhunden“ für die heimgekehrten verwundeten Soldaten.

„Der erblindete Hauptmann a.D. Knispel ... hält den deutschen Schäferhund für den geeignesten. Er ist ruhig, scharf, hat Nase und ist kein Stromer oder Hundebeißer. Im Volk als „Polizeihund“ oder „Wolfshund“ bekannt, wirkt allein schon seine Gegenwart schützend. … Neben den praktischen Führerdiensten sind vornehmlich die ethischen Werte nicht gering einzuschätzen, die der Hund für seinen blinden Herrn haben wird; auch der Einsamste wird durch die dauernde Gegenwart seines Hundes daran gemahnt, daß er nicht verlassen ist, daß für ihn gesorgt wird nach Kräften, und die Treue des Hundes wird ihm ein Kennzeichen dafür sein, daß ihm auch die Menschen, seine Volksgenossen, das Vaterland, in dessen Diensten er sein Augenlicht hergeben musste, Treue bewahren werden.“
(aus dem Schöneberger Tageblatt vom 13.März 1917)

Nicht vergessen sollte auch das traurige Schicksal der „Mauerhunde“ als Gebrauchshunde der NVA nach 1961 sein, die zur Bewachung der Grenzanlagen dienten. (siehe auch „Inventarisierung der Macht in der Juliausgabe 2016 unserer Stadtteilzeitung,)   Erfreulicherweise konnten nach dem Fall der Mauer zahlreiche Hunde neue und wohlmeinende Besitzer finden.

Hundert Jahre später können wir von einer friedlichen Hundeerzieherin berichten:
Erfreuliche Begegnung in der Dickhardtstraße in Friedenau: Der junge „Mischling“ ist kurz angeleint, bleibt am Rinnstein auf Befehl stehen und wedelt freudig mit dem Schwanz. Ein Prachtexemplar mit vier weißziselierten  Pfotenspitzen. Auf beiden Seiten seines Körpers hängen wasserdichte Tragetaschen, gut verzurrt und trageleicht.
Die unbekannte junge Frau erklärt ihr markantes Erziehungskonzept: „Der Hund soll nicht das Beißen, sondern das Dienen und Helfen lernen. Er hilft mir z.B. beim Tragen der schweren Einkäufe. Und darüber freut er sich auch noch.“  Da kann man ja nur noch BRAVO rufen!

Aber wer ist diese junge Frau?  Wir würden ja gern etwas mehr über sie und ihren Hund berichten. Eine Nachricht an die Redaktion ist bitte erwünscht.

Hartmut Ulrich

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