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14.04.2011 / Menschen in Schöneberg

Harald Gröhler, Lyriker und Mitglied des Friedenauer Literaturkreises

"... Da liegt deine zarte Kraft, gar wo es etwas Verwunschenes und Verwundernswertes teils zu entblättern, teils zuzudecken gibt. Dieses sanfte Spiel mit dem Nichtgeheuren bewegt mich und wie du deine Schimmelreiterkinder übers Eis führst ..." Peter Rühmkorf zu Arbeiten von Harald Gröhler
Harald Gröhler. Foto: Arnd Moritz

Friedenau ist ein literarischer Ort. Mit ihm sind zahlreiche bekannte Namen wie Günter Grass, Uwe Johnson, Herta Müller, Günter Weisenborn oder Paul Zech verknüpft. In Friedenau lebt Literatur. Nicht nur durch Buchhandlungen, die ihr Repertoire auf bekannte Namen ausrichten, sondern auch durch eine aktive literarische Kultur, die Schriftsteller und Poeten in ihren Zusammenkünften jenseits von Öffentlichkeit pflegen.

Eines dieser Treffen ist der "Friedenauer Literaturkreis", dessen wechselnde Mitgliederzahl auf zehn beschränkt bleiben soll. Gegründet wurde der Kreis Anfang 1992 von Claudia Teschner; Mitglieder waren, beziehungsweise sind, neben anderen Tanja Dückers, Ruth Fruchtman und Mitch Cohen. Erwähnung findet der Kreis in Publikationen seiner Mitglieder. Ein Mitglied ist von Anfang an dabei: Harald Gröhler. Der Lyriker lebt in Berlin und gelegentlich in Köln. Der im ehemaligen Bad Warmbrunn, dem heutigen Cieplice Slaskie-Zdrój, geborene Niederschlesier studierte in Göttingen, Kiel und Köln Psychologie und Philosophie. Er arbeitete für den WDR und die FAZ, war Pressefotograf, Gastprofessor für Literatur an den Universitäten in Texas und New Mexico, organisierte und moderierte bis 1995 zahlreiche Schriftstellerveranstaltungen und Podiumsdiskussionen. Für das Goethe-Institut leitete er eine  Autorenveranstaltung sogar in Ankara.

Harald Gröhler schreibt Lyrik, Prosa und Bühnenstücke. Er publiziert in Anthologien und namhaften Periodika. Seine Beiträge werden vom WDR, SFB, Bayerischen Rundfunk und von Radio Bremen ausgestrahlt und sie gehörten einst auch zum Programm des RIAS. Er ist Mitglied des deutschen P.E.N.-Zentrums und ein Mann der leisen Töne, dessen Stimme stets Gehör findet. Ob auf einer von ihm initiierten Antikriegsveranstaltung mit Exilautoren oder auf Veranstaltungen für Amnesty International: Harald Gröhler mischt sich ein.

Sein Anliegen ist der Appell an den Menschen für den Menschen und seine bedrohte Umwelt. Zeitgeist irritiert ihn nicht. So versucht er auch jenen Zeitgenossen Gehör zu verschaffen, deren gesellschaftliche Existenz sich im Strom der Geschichte gegen den der Meinungsöffentlichkeit ausgerichtet hat. Er scheute sich nicht, einem Mitarbeiter des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit eine öffentliche Plattform zur Meinungsäußerung zu geben. Ebenso gab er Opfern des MfS mit seinen Interviews eine Möglichkeit zur öffentlichen Darstellung.

So zeichnet Harald Gröhler denn auch in seinem jüngst erschienenen Gedichtband WORTHEIMAT das Bild des unangepassten, unruhigen, eigensinnigen und dabei doch harmoniebedürftigen Menschen.

1991 fand sein bürgerliches Engagement mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes die angemessene Anerkennung. Die schriftstellerische Leistung des Dichters Harald Gröhler wurde unter anderen 2010 mit dem Inge-Czernik-Förderpreis für Lyrik gewürdigt. Dieser 1986 gestiftete Preis ist ein reiner Lyrikpreis, und davon gibt es noch nicht einmal zehn im gesamten deutschen Sprachraum.

Dem Dichter, der in drei Dialekten, dem schlesischen, dem oberfränkischen und dem rheinisch-kölnischen zuhause ist, versucht immer wieder, Umgangssprachliches und Dialektmaterial in die Hochsprache kalkuliert miteinzubringen.

Der Weltenwanderer begnügt sich nicht mit der Theorie. Ihn faszinieren zum Beispiel Weltbild und Sprache der Kinder. Was sie äußern und was sie interessiert, interessiert auch ihn. Und das hat seinen Grund. Er betont, dass Kinder ab ihrem fünften Lebensjahr eine Sprache von höchstem poetischen Reiz entwickeln, in der sich dem aufmerksamen Zuhörer offenbart, wie Kinder ihre Umgebung wahrnehmen und erleben. Mit ihrer Fähigkeit zur Sprache entwickeln sie eine erste Teilhabe an der Welt der Erwachsenen.

Gröhler geht es stets um die Sache, für die sein Herz thematisch schlägt. Auszeichnungen treten ihr gegenüber in die zweite Reihe. Und dort kann solch eine Medaille auch schon einmal in einer U-Bahn liegen bleiben.

Der Wortmeister leiser Töne findet seine Anerkennung in Wertschätzungen, die ihm von Hochkarätern seiner Gilde entgegengebracht werden, wenn sie, wie der Literaturwissenschaftler Professor Franz Norbert Mennemeier, über ihn schreiben "Die Auguren ... behandeln Gröhler wie das rohe Ei einer unbekannten Vogelart; die Verlage beeilen sich, ihm mit reizvoll-originellen Editionen den roten Teppich auszurollen."

Arnd Moritz

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