Die BVV trauert um Rainer Penk
Auch ein Reporter hat es nicht immer leicht. Zwar hilft bei der Berichterstattung die vorliegende Tagesordnung. Doch nützt auch die klarste Voraussicht auf die kommenden Ereignisse nichts, wenn der große Schnitter dazwischenfährt. Bereits beim etwas verspäteten Eintreten in den Sitzungssaal war zu spüren, dass etwas Ungewöhnliches eingetreten sein musste. Es herrschte eine konzentrierte Ruhe, und ein erster Blick über die Sitzreihen stellte auffallend viel schwarze Kleidung fest. Dann forderte Vorsteher Stefan Böltes (SPD) die Anwesenden auf, sich für eine Schweigeminute von ihren Platzen zu erheben. Und erst danach war Gelegenheit, vom neben dem Berichterstatter auf der Pressebank sitzenden Johann Fenster von der amtlichen Pressestelle zu erfahren, dass am Vortag der Fraktionsvorsitzende der Grünen Rainer Penk überraschend verstorben ist.
Dieser ehrliche Streiter für die Überzeugungen seiner Partei war seit 2011 Bezirksverordneter und seit sieben Jahren Fraktionsvorsitzender gewesen. In einem Nachruf auf der Internetseite seiner Fraktion heißt es: „Rainers bescheidene, ruhige und vermittelnde Art war bei allen sehr geschätzt. Er war der Fels in der Brandung, hatte stets ein Ohr für jede und jeden und fand bei Problemen immer eine Lösung.“ Und die Co-Fraktionsvorsitzende Catherine Müller-Wenk stellte fest: „Er wurde mitten aus dem Leben gerissen. Wir sind alle schockiert.“ Auch der Vorgänger im Amt und jetzige Bürgermeister Jörn Oltmann sowie der BVV-Vorsteher brachten in kurzen Ansprachen ihre Betroffenheit zum Ausdruck. Der Ältestenrat hatte bei seiner ersten Zusammenkunft ohne sein langjähriges Mitglied Rainer Penk für die bevorstehende BVV-Sitzung eine Kurzfassung empfohlen, und Vorsteher Böltes folgte diesem weisen Rat. Kein Parteienstreit sollte die gemeinsame Trauer beeinträchtigen.
Es wurden alle vom Ältestenrat in die Beschlussliste aufgenommenen Anträge ohne Aussprache angenommen. Alle Mündlichen Anfragen werden schriftlich beantwortet, alle Großen Anfragen wurden vertagt. Ebenso die nicht im Konsens beschlossenen Anträge. Und sogar die Einwohneranfragen wurden im Einvernehmen mit den Fragestellern verschoben. So konnte die Sitzung bereits nach einer halben Stunde beendet werden. Am leer gebliebenen Platz des Verstorbenen in der ersten Sitzreihe wurde eine Kerze im Schmuck eines Trauergestecks entzündet und im breiten Gang davor kam es zu Trauerbekundungen aus den Fraktionen und aus den Ämtern. Und als eine größere Gruppe von Grünen-Verordneten noch eine gute Weile im stillen Gedenken an dem so plötzlich verwaisten Platz innehielt, fehlten auch Tränen des Abschiednehmens nicht.
Rainer Penk wurde nur 58 Jahre alt. Noch am Vorabend seines Todes hatte er zur Vorbereitung der BVV an einer über dreistündigen Fraktionssitzung teilgenommen, auf der eine gemeinsame Linie zu allen Anträgen auch der anderen Fraktionen gefunden werden musste, und am folgenden Vormittag hatten noch Abstimmungen zu Verkehrsfragen stattgefunden. Aber da fraktionelle Linienkämpfe nichtöffentlich ausgetragen werden, kann hier nur gemutmaßt werden, dass die letzten politisch aktiven Stunden seines Lebens, die er neben seiner Erwerbsarbeit als freischaffender Tischler angehen musste, auch davon erfüllt waren, eine gemeinsame Linie zum jüngst bekanntgemachten Beschluss der neuen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) zu finden, der einen Stopp für alle laufenden Vorhaben zur Einrichtung von Fahrradstraßen vorsieht. Die Empörung darüber ist besonders bei den Grünen groß und stößt naturgemäß besonders in jenen Bezirken auf Abwehr, in denen bereits solche Projekte angelaufen oder in Planung sind.
Wie im Tagesspiegel-.Checkpoint vom 22.6. nachzulesen ist, hat sich dazu bereits Uwe Szelag in einem offenen Brief zu Wort gemeldet. Er erinnert sich darin an seine Zeit als Verkehrsstadtrat von Wilmersdorf, also an eine Zeit noch vor dem Zusammenschluss seines Amtsbezirks mit Charlottenburg und als Mitglied des Grünen-Vorläufers Alternative Liste (AL), als er sich erfolgreich für die Einführung von Busspuren eingesetzt hatte: „Als Baustadtrat habe ich 1991 zusammen mit den Kollegen von Charlottenburg und Schöneberg und in Abstimmung mit dem (sich damals noch im Amt befindlichen) SPD/AL-Senat die Busspur auf dem Ku-Damm durchgesetzt. Als 1992 dieser Senat von der CDU abgelöst wurde, hatte der damalige CDU-Senator nichts Besseres zu tun, als sofort den teilweisen Rückbau und massive Einschränkungen der Nutzungszeiten etc. anzuordnen.“ Szelag und seine Kollegen hätten damals diese Anordnung „mit Selbstbewusstsein zurückgewiesen und unsere Tiefbauämter angewiesen, den „Senatsbefehl“ zu ignorieren und die Busspur, so wie sie ist, zu belassen. Dabei trugen wir ein hohes politisches Risiko und eine erhebliche persönliche Verantwortung bis hin zu persönlich adressierten Regressforderungen, aber wir wollten uns nicht wegducken.“
Da die Bezirke zwar Radwege planen, ohne Geld vom Land aber nicht bauen können, sind die Stellungnahmen aus den Bezirken vorerst noch verhalten ausgefallen. Das könnte sich aber noch ändern, wenn erst bekannt wird, welche Vorhaben in welchem Umfang davon betroffen sein werden. Ex-Stadtrat Szelag ruft ihnen in seinem Brandbrief schon mal zu: „Zeigt mehr RÜCKGRAT!“ Auch das seit Jahren umkämpfte Fahrradstraßen-Projekt in der Friedenauer Handjerystraße könnte davon betroffen sein. Und dem für seine verantwortungsbewusste und einsatzfreudige Wesensart allseits geschätzten Rainer Penk könnte die von ihm selbst an sich gerichtete Anforderung zur Positionierung nun doch und für alle unerwartet die eigenen Kräfte überstiegen haben.