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31.10.2020 / Projekte und Initiativen

Den Gong nicht gehört?

Von Ottmar Fischer. Nach dem BVV-Vorsteher mit der Sitzungseröffnung folgt stets der Punkt Einwohneranfragen, unter dem diejenigen Bewohner des Bezirks zu Wort kommen, die sich über das BVV-Büro mit einer Frage zu bezirklichen Belangen an das Bezirksamt gewandt haben.
Gespensterhaus Ecke Odenwaldstraße/Stubenrauchstraße. Foto: Friedenauer Nachbarschaftsinitiative

Seit Neuestem dürfen sie ihrer Frage nun auch deren Veranlassung in einem erläuternden Satz voranstellen, was der Verständnisbildung bei den zuhörenden Bezirksverordneten durchaus zuträglich ist. Umso größer ist das Unverständnis mancher Fragesteller, wenn ihre Anliegen aus Verwaltungsgründen nicht befriedigend beantwortet werden.

So wollte Dr. Haarmann für die Bürgerinitiative Friedrich Wilhelm Platz wissen, ob nach zwei Jahren Stillstand bei der Umgestaltung des Platzes wenigstens schon mal mit dem in Aussicht gestellten, öffentlich zugänglichen Wasseranschluss begonnen werden könne? Oder vielleicht an der angrenzenden Bundesallee mit der Arbeit am Übergang zur Mittelinsel, um den nur schwer einsehbaren Kreuzungspunkt mit dem Fahrradweg sicherer zu machen? Doch leider musste er der Antwort der zuständigen Stadträtin Heiß (Grüne) entnehmen, dass gegenwärtig wegen eines Rechtsstreits mit dem Planungsbüro sämtliche Planungsarbeiten ruhen, deswegen auch keine Teile vorgezogen werden können und bis zum Jahresende auch nicht mit einem Abschluss des Streits zu rechnen sei. Zum Grund der Auseinandersetzung mochte sie sich aber aus Verfahrensgründen nicht äußern.

Ähnlich erging es auch Frau Schipper von jener Friedenauer Nachbarschaftsinitiative, die sich seit Jahren gegen den Verfall des leer stehenden „Gespensterhauses“ an der Ecke Odenwaldstraße/Stubenrauchstraße stemmt. Sie erinnerte an den Beschluss der BVV vom 10.4.2019, in dem das Bezirksamt aufgefordert wurde, „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln den gesetzeswidrigen Leerstand zu beenden“. Zu  ihrer Frage nach dem Stand des laufenden Bußgeldverfahrens musste sie sich jedoch mit der Antwort begnügen: „Das Bußgeld befindet sich in der Vollstreckung.“ Und ihre Nachfrage nach der Bußgeldhöhe blieb von Stadträtin Heiß aus Verfahrensgründen  unbeantwortet. Dabei wäre doch durchaus wichtig zu wissen, ob durch die nunmehr erreichte Bußgeldhöhe jene Schmerzgrenze erreicht ist, die ein Umdenken bei der Eigentümerin bewirkt. Doch da das Bußgeld vollstreckt werden muss, ist wohl davon auszugehen.

Geht also so mancher Fragesteller aus der Bürgerschaft nur wenig informierter wieder nach Hause als er gekommen war, so ergibt sich bei den Bezirksverordneten für ihre eigenen Anfragen in der Regel ein klareres Bild. Denn sie können ihre Anliegen nicht nur in Unterfragen gliedern, sondern können in der anschließenden Debatte auch ein Meinungsspektrum erzeugen. Das zeigte sich in der Oktober-Sitzung der BVV bei den beiden Großen Anfragen zur Arbeitsfähigkeit des Bezirksamts und des Gesundheitsamts in diesen Corona-Zeiten. Dabei hatte die Große Anfrage der CDU, ob die Corona-Delle bei der Arbeitsfähigkeit des Bezirksamts überwunden sei, mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass ihre Behandlung in der Zeit von aktuell auf einen Höchststand angewachsenen Neuinfektionen stattfinden musste. Denn die Anfrage war zwar in der Zeit abnehmender Infektionen verfasst worden, ihre Behandlung musste aber aus Zeitmangel in den Oktober verschoben werden.

Insofern hatte Bürgermeisterin Schöttler (SPD) leichtes Spiel, denn sie konnte darauf verweisen, dass die Einschränkungen zurückgefahren wurden und die Angebote auf mehr Präsenz umgestellt werden konnten, als es mit den Infektionszahlen besser geworden war. Doch „jetzt müssen wir wieder in die andere Richtung, nämlich Home Office. Wir wollen das tun, ohne die Leistungsfähigkeit einzuschränken, können sie aber auch nicht wie erhofft erhöhen.“ Erschwerend für die Arbeitsfähigkeit des Bezirksamts wirkt sich zudem aus, dass zur Zeit 23 Mitarbeitende aus anderen Abteilungen im Gesundheitsamt eingesetzt werden.
Ja oder Nein oder Jein

Wie der Gesundheitsstadtrat Schworck (SPD) in Beantwortung der Großen Anfrage der Linken zum Thema „Gesundheitsamt im Coronamodus“ bekanntgab, helfen darüber hinaus 32 Mitarbeitende der Bundeswehr und 2 Scouts des Robert-Koch-Instituts im Krisenstab des Gesundheitsamts, um die Kontaktpersonen-Nachverfolgung auch unter den Bedingungen der stark angestiegenen Infektionszahlen sicherstellen zu können. Sie tun dies aufgrund eines Amtshilfeersuchens des Landes Berlin in Vollzeit, weisen in ihrem Kompetenzprofil Vorerfahrungen in der Flüchtlingshilfe aus, sind psychisch belastbar und verfügen über MS Office-Kenntnisse. Sie sind gegenüber dem Bezirksamt weisungsgebunden und genau wie die Mitarbeitenden des Bezirksamts zur Verschwiegenheit im Umgang mit Daten verpflichtet.

Doch wandte sich die Linke trotz dieses aufgezeigten Kompetenzprofils der Hilfswilligen gegen den Einsatz der Bundeswehr. Ihre BV Wissel und Marg sahen unter Verweis auf die Geschichte des Militarismus in Deutschland die Gefahr einer schleichenden Militarisierung des öffentlichen Lebens. Und überhaupt sollte das viele Geld für die Bundeswehr sinnvollerweise woanders eingesetzt werden, etwa im öffentlichen Gesundheitswesen, wo es dringend benötigt werde. BV Pschollkowski (CDU) meinte hingegen, die Linke habe offenbar den Gong nicht gehört. Die Situation sei so dramatisch, dass „Mann und Maus“ gebraucht würden. Und beim Umgang mit der Finanzierung des Gesundheitswesens könne sich niemand reinwaschen, auch die Linke nicht. In allen Parteien hätten sich in der Vergangenheit die Fachpolitiker dem Diktat der Haushaltspolitiker beugen müssen.

Am schärfsten distanzierte sich die FDP von der Linken. BV Kemper meinte: „Wir brauchen keine Nachhilfe von der Linken.“ Sie sollten einfach mal die Verfassung lesen! Die Linke hat offenbar die Situation in der Pandemie gar nicht erfasst. Soll das Bezirksamt etwa sein Personal aus allen Fachbereichen für den Telefondienst im Gesundheitsamt abziehen?“ Und BV Frede meinte sogar den Propagandaton der Fernsehsendung „Aktuelle Kamera“ aus der versunkenen DDR zu hören: „Hätte Frau Wissel damals die Nationale Volksarmee so abqualifiziert, wäre ihr das bestimmt nicht gut bekommen!“ Und auch die AfD sah in der Position der Linken eine ideologische Verirrung. Sie wurde von BV Richter zur Abwendung von pauschalen Verurteilungen und zum Aufspüren pragmatischer Lösungen aufgefordert.
BV Seltz (SPD) stellte in gewohnter Sachlichkeit fest, dass die zurückliegende Sparpolitik auch im Gesundheitswesen bis auf die Regierungszeit von Diepgen (CDU) und von Rot/Rot mit einer Gesundheitssenatorin von der Linken zurückreiche: „Wir können uns daher Grundsatzdebatten ersparen!“ Vielmehr sei das Notwendige pragmatisch anzugehen, wie 1962 beim Jahrhunderthochwasser in Hamburg und später beim Einsatz der Bundeswehr bei der Sicherung der bedrohten Deiche an der Oder, worüber damals alle froh waren. BV Höppner (SPD) gab gleichwohl zu bedenken, dass sorgfältig abgewogen werden müsse, wie viel Militär im Alltag zugelassen werden sollte. Und auch BV Suka (Grüne) forderte eine vernünftige Beschränkung auf kurzfristige Einsätze der Bundeswehr in Sondersituationen.

Stadtrat Schworck war angesichts der vorgetragenen Bedenken sichtlich um Fassung bemüht, als er feststellte: „Wir sind nicht nur mitten in einer Pandemie, wir haben auch seit langem eine angespannte Personalsituation. Wir müssen sogar in Kauf nehmen, dass wir manches Wünschenswerte deswegen nicht tun können. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es wird auch in diesem Bezirk zu Einschränkungen kommen! Wir brauchen alle, die mithelfen, damit das Schlimmste verhindert werden kann!“

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