Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

08.06.2015 / Projekte und Initiativen

Boden unter den Füßen

Im März begann im Nachbarschaftsheim ein dreimonatiger Berufsorientierungskurs für Frauen. Ich mache mit und führe ein Kurstagebuch (Teil 1 und 2: April und Mai). Hier der dritte und vorletzte Teil.
Achtung Stufe. Foto: Sanna v. Zedlitz

So langsam wird’s ernst. Wir kennen nun unser Potential, haben verstanden, dass wir hochkompetente Krisenmanagerinnen sind, effizient und umsichtig in der Zeitplanung, dass wir Arbeitsabläufe optimieren und finanzielle Ressourcen weitblickend einsetzen können: Wir wissen, auf welche Stellenangebote wir uns bewerben könnten. Wir lassen sogar solche ketzerischen Gedanken zu wie: Wozu sollte ich unbedingt eine akademische Karriere weiterverfolgen, wenn mich ein Marktstand mit köstlichem französischen Käse doch soviel glücklicher machen könnte? Und wieso eigentlich sollte ich mit Mitte 40 nicht noch eine Ausbildung beginnen? Wir üben uns im Über-den-Tellerrand-Schauen.

Bleibt noch zweierlei: Wie gestalte ich meine Bewerbung, und wo finde ich die passenden Annoncen?

Zunächst einmal kramen wir unsere Lebensläufe hervor und mustern sie kritisch. An der Form kann man durchaus noch feilen, man kann die Lücken füllen und geschicktere Formulierungen wählen; wir beratschlagen gemeinsam, jede ist mal dran. Aber wie setzen wir unsere Erkenntnisse um? Da müssen Fachfrauen ran. Glücklicherweise kennen sich Christiane und Marianne im umfangreichen Förderdschungel für Frauen ausgezeichnet aus. Ja, in der Tat, die Vielfalt an Angeboten für Frauen ist erstaunlich, vieles wird von der EU gefördert - es scheint also durchaus ein Bewusstsein dafür zu existieren, auf welches Arbeitskräftepotential die Gesellschaft verzichtet, wenn sie sich nicht um die Ressource Frau kümmert - aber wieso weiß man so wenig darüber? Natürlich ist im Netz allenthalben die Information gestreut, nur müsste man ja leider schon wissen, wonach man sucht und wie es heißt. Aber das ist ja nun nicht mehr unser Problem, denn uns werden die Adressen mundgerecht vorgesetzt und Termine für uns gemacht. Wir verlassen also für eine ganze Woche die vertrauten Räume und lassen uns in Textverarbeitung schulen, damit unsere Bewerbungsunterlagen auch wirklich unsere Fähigkeiten zum Leuchten bringen.

Das ist eine ziemliche Umstellung! Plötzlich jeden Morgen durch die Stadt fahren, früher aufstehen, um den Haushalt auf Zack zu bringen, schon wissen, was mittags gekocht werden soll, eine längere Fremdbetreuung für die Kinder organisieren - wir sind zum Teil ein bisschen aus der Übung, was das betrifft. Aber es macht Spaß, verflixt noch mal! An einem Tag werden wir mit verschiedensten Möglichkeiten der Jobsuche bekannt gemacht, da schwirrt der Kopf. Und zum guten Abschluss lernen wir, wie wir unsere Zeugnisse einscannen und für eine schicke Online-Bewerbung auf den Weg bringen. Und dann endlich: Wochenende …

Aber das ist ja noch nicht alles. Am Horizont erscheint das nächste lange Wochenende unter der Obhut unserer Trainerinnen, denn wir gehen mal ganz tapfer davon aus, dass wir bald zu vielen spannenden Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, und die wollen ja geübt sein. Vorher gibt es noch eine Einheit zu Kommunikation und Rhetorik, damit wir nicht blindlings in Fettnäpfchen stolpern, die da lauern mögen. Und wenn, dann blamiere ich mich wenigstens erstmal vor meinen wohlmeinenden Mitfrauen.

Sanna v. Zedlitz

Viele geförderte Computerkurse gibt’s bei <link http: www.ber-it.de>www.ber-it.de oder bei <link http: www.ckk-berlin.de>www.ckk-berlin.de

 

Kontakt

Stadtteilzeitung SchönebergHolsteinische Straße 3012161 BerlinStandort / BVG Fahrinfo
Stadtteilzeitung SchönebergHolsteinische Straße 3012161 Berlin
86 87 02 76 -79Fax 86 87 02 76 -72E-Mail senden
LeitungThomas Thieme0173/4825100E-Mail senden