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02.04.2022 / Orte und Plätze

Blau-Gelb alle Wege

Von Ottmar Fischer. Nur drei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde in einer sonntäglichen Sondersitzung des Bundestages unter teilweise stehenden Ovationen die von Bundeskanzler Scholz und zahlreichen weiteren Rednern beschworene Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik geradezu enthusiastisch begrüßt, als sei allen ein Stein vom Herzen gefallen.
Foto: Pressestelle Tempelhof-Schöneberg

Die regierungsseitig angekündigten Gegenmaßnahmen zur russischen Invasion wurden sogar von der CDU als der größten Oppositionspartei begrüßt, als kenne ein unsichtbar anwesender Kaiser wie bei der Bewilligung der Kriegskredite 1914 nun keine Parteien mehr sondern nur noch brave Deutsche. Dabei geht es freilich nicht um einen Militäreinsatz, sondern um die finanzielle, wirtschaftliche und politische Isolation des Friedensbrechers. Und selbst die Linke als bislang sicherster Teil im Block der Russland-Versteher nahm Abschied von alten Positionen und räumte ein, dass sie einen solchen Bruch des Völkerrechts wie den durch Putin im zivilisierten Europa des 21. Jahrhunderts nicht für möglich gehalten habe.

Tatsächlich sitzt der Schock tief. Denn der nun zum Anlass einer Zeitenwende gewordene Überfall war ja eigentlich nur das letzte und freilich schwerwiegendste Glied einer langen Kette von Grenzverletzungen, die um des lieben Friedens willen ungesühnt blieben. Doch gingen der jetzigen Invasion nicht nur zahlreiche Militäroperationen im Ausland bereits voraus, sondern auch im Inland wurde durch systematische Ausschaltung der demokratischen Kontrollorgane an der Errichtung einer Gewaltherrschaft gearbeitet. Mit geheimdienstlichen Auftragsmorden und gelenkten Justiz-Aktionen wurden die freie Presse und das Versammlungsrecht beseitigt. An die Stelle öffentlicher Aussprache trat der bestellte Applaus zu inszenierten Verlautbarungen eines immer stärker entrückten Alleinherrschers. Und sein infantiles Bedürfnis nach Allmacht hat einen hemmungslosen Propaganda-Apparat erzeugt, der ständig Lügengebilde konstruiert. So ist nun offen zu Tage getreten, dass ein politischer Gewalttäter offenbar versucht, die regelbasierte Weltordnung umzustürzen, und das eben wird die übrige Welt nicht zulassen.

Die in seltener Einmütigkeit mit den Partnern in EU und Nato abgestimmten Sanktionen wenden sich daher in einem ersten Schritt gegen die engeren Vertrauten im System Putin, werden nachfolgend aber auch die Wirtschaft Russlands mit beispielloser Härte treffen. Für den Fall einer Monate oder gar Jahre dauernden Auseinandersetzung ist sogar der komplette Ausstieg aus dem Bezug von Gas, Öl und Kohle aus Russland vorgesehen, was die zaristische Kriegskasse empfindlich schmälern dürfte, denn der russische Staatshaushalt wird überwiegend mit Einnahmen aus dem Energiegeschäft finanziert. Wie die Preisentwicklung auf den Energiemärkten schon jetzt zeigt, wird die Auseinandersetzung mit Putins Größenwahn auch an uns nicht spurlos vorübergehen. Solidarität gibt es nun mal nicht kostenlos. Aber ohne ein Stopp-Schild für Putin würde der Preis am Ende wohl noch höher werden. Daher steht die freie Welt nun geschlossen zusammen und in Deutschland räumen die drei Koalitionsparteien im Gleichschritt quasi über Nacht jahrzehntelang für unumstößlich gehaltene Positionen: Die SPD verzichtet auf die fast schon wie eine Monstranz vorangetragene Gaspipeline Nord-Stream 2, die Grünen geben ihre stets erneuerte Forderung nach einem Verzicht auf Waffenlieferungen in Krisengebiete auf, und die FDP hält plötzlich die Umgehung der von ihr stets verlangten Schuldenbremse mithilfe eines Sondervermögens in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Ausrüstung der Bundeswehr für unverzichtbar.

Die Welle der Solidarität reichte auch bis in die Vollversammlung der Vereinten Nationen, wo nur die berüchtigten Diktaturen Nord-Korea, Belarus, Iran, Syrien und Eritrea mit Russland gegen die Resolution zur Verurteilung des Friedensbrechers stimmten. Und auch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg bezog Stellung. Bereits einen Tag nach dem Überfall Russlands versammelten sich die Mitglieder und die Mitarbeitenden des Bezirksamts zu einer Schweigeminute vor dem Schöneberger Rathaus, nicht weit von jener Stelle, von wo aus einst US-Präsident Kennedy vor einer begeisterten Menschenmenge die denkwürdigen Worte gesprochen hat: „Ich bin ein Berliner.“ Und in dieser Tradition sind wir Berliner nun unter dem Läuten der Freiheitsglocke zu Ukrainern geworden. Die Last der angemessenen Wortwahl übernahm diesmal Bürgermeister Oltmann: „Deutschland stellt sich solidarisch an die Seite der ukrainischen Bevölkerung ... Mit dem Läuten der Freiheitsglocke erinnern wir daran, wie wichtig Demokratie und Freiheit sind. Unsere Gedanken sind bei den durch die Kriegshandlungen bedrohten Menschen in der Ukraine.“

Wer den solidarischen Gesten auch solidarische Taten folgen lassen will, kann die folgenden Dateien nutzen:

www.aktion-deutschland-hilft.de
IBAN: DE62 3702 0500 0000 1020 30,
Stichwort: Nothilfe Ukraine

www.aktionsbuendnis-katastrophenhilfe.de
IBAN: DE65 100 400 600 100 400 600
Stichwort: Nothilfe Ukraine

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