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Freizeit und Kultur im Nachbarschaftsheim

04.09.2014 / Projekte und Initiativen

Bienen auf dem Dach

Die Ebee Elektro Smart Technologies GmbH ist ein Startup, das gegenüber den zwanzig anderen Mietern des Hauses 4 auf dem Euref-Gelände am Gasometer eine Besonderheit aufweist.
Flughafen der Honigbienen auf dem Dach. Foto: Thomas Protz

Zwar haben auch die anderen Mieter im Hause alle etwas mit Energiewirtschaft zu tun, doch keiner von ihnen kann „Energie zum Auftanken“ in 35 Gramm-Gläsern vorweisen. Das nämlich steht auf den Etiketten jener Gläser, die mit Honig aus der Produktion hauseigener Bienenvölker gefüllt sind und als Werbegeschenk „an alle Partner gehen, die mit uns zusammenarbeiten wollen“, sagt der Mitgründer der „Ebee“, Robert Weyrauch.

Firmenzweck der E-Biene ist die Bereitstellung von innerstädtischen Zapfstellen für die nach dem bevorstehenden Ende des Ölzeitalters zu erwartende Elektromobilität. Und nach der Geschäftsidee sollen dann diese Zapfstellen keine gesonderten Zapfstellen mehr benötigen, sondern sich an ganz gewöhnlichen Straßenlaternen befinden. Und der Gedanke leuchtet ein: Wo Strom für Straßenlicht und Haushalte unterwegs ist, könnte er auch für Autos zur Verfügung stehen. Eine Elektro-Biene dieser Art stellt also Energie bereit und hat deswegen mit der Honig-Biene etwas gemeinsam: Auch diese stellt nämlich über den Weg des Blütennektarsammelns Energie zur Verfügung. Eigentlich zwar nur für das Honigbienenvolk, doch die listigen Menschen haben gelernt, sowohl die Gesetze der Elektrizität als auch die des Bienenlebens für sich nutzbar zu machen.

Im Falle der Honigbiene ist dazu das Wissen und Können des Imkers nötig, und der trägt in diesem besonderen Honig-Haus den Namen Elisabeth Pel, Freundin des Firmenmitgründers. Deren Bekanntschaft mit den Bienen hat freilich ihre eigene Geschichte. Neu entdeckt hat sie ihre Liebe zu den Bienen bei der Beobachtung dieser fleißigen Sammlerinnen in ihrem Garten. Aber diese Bewunderung für die unermüdlichen Bestäuberinnen ihrer Gartenpflanzen hat eine lange Vorgeschichte und beginnt bereits in den Tagen ihrer Kindheit. Ihr Großvater hatte in seinem eigenen Garten mehreren Bienenvölkern eine Heimat und einen Futterplatz geboten, und er war es auch, der seiner staunenden Enkelin erste Einblicke in das geoffenbarte Geheimnis des Bienenlebens ermöglichte. Nach den Jahren des Erwachsenwerdens brach sich diese Kindheitserinnerung nun wieder Bahn, führte zur Kontaktaufnahme mit einem Imkerverein, und dort lernte sie nach und nach den professionellen Umgang mit Bienen, wodurch sie schließlich auch zu ihren drei eigenen Völkern fand.

„Alle zwei bis drei Wochen gehe ich nachsehen, wie es den Bienen geht“, sagt die Jungimkerin im Gespräch mit der Stadtteilzeitung. Und das kann schon im Februar das erste Mal der Fall sein, wenn es mehrere Tage hintereinander wärmer als zehn Grad gewesen ist. Bei solchen Temperaturen werden die Bienen unruhig, denn sie vermuten dann mit gutem Grund, dass der Haselnussbaum als einer der jahreszeitlich ersten Nahrungsspender mit der Blüte beginnt. Dann ist auch die Neugier der Imkerin groß, und sie legt das Ohr an die Wohnkästen ihrer beiden Völker in der Fremde, um etwas von dem Leben und Treiben ihrer Schützlinge zu erfahren. Öffnen darf sie die Kästen aber noch nicht, denn die Bienen sind auf den Erhalt der von ihnen selbst geschaffenen Nestwärme angewiesen. Die Neugier steigt daher von Besuch zu Besuch, und die Frage lautet dann jedes Mal: „Wann kann ich reingucken? Und wenn ich dann endlich sehe, dass die Königin lebt und mit dem Eierlegen begonnen hat, dann freue ich mich, denn ich weiß dann, dass ein neues Bienenjahr begonnen hat“.

Ein Leben für den Honig
Der Standort der beiden Bienenvölker auf dem geschützten Zwischendach des Bürohauses am Gasometer ist ideal. Es gibt rundum in Gärten, Brachflächen und Parks das ganze Jahr über Pollen und Nektar die Hülle und Fülle. Vor allem aber auch einen artenreichen Baumbestand, denn was der Laie nicht vermutet, die Hauptnahrungsquelle der Bienen sind Bäume: Linden, Robinien, Kastanien, Ahorne. Da kommen die frisch gepflanzten Kirschbäume am nahen Grünzug wie gerufen.

Die meist nur wenig mehr als vierwöchige Lebensarbeitszeit der Honigbiene beginnt im Frühjahr mit der Brutpflege. Die Entwicklung vom Ei über die Larve bis zur fertigen Biene dauert etwa drei Wochen. Während die Eier nur bewacht werden müssen und allenfalls die Luftfeuchtigkeit durch ein Vibrieren der Flügel reguliert wird, müssen die Larven unermüdlich gefüttert werden. Erst nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Brutpflegezeit wechseln die bisherigen Pflegerinnen in die Arbeitswelt des Nahrungssammelns. Dabei lernen sie die Standorte der Spenderpflanzen aus den Tanzbewegungen ihrer erfolgreich heimkehrenden Artgenossen zu schließen. Die Brutpflege wird dann von den neu geschlüpften Bienen übernommen.

Neue Bienen wachsen bis in den Herbst immer wieder nach. Die Königin legt am Tag bis zu zweitausend Eier. Die letzten Bienen des Jahres, die im beginnenden Herbst schlüpfen, haben jedoch andere Aufgaben. Diese Winterbienen übernehmen den Schutz der Königin während der kalten Jahreszeit, die im Winter nicht brütet. „Diese Winterbienen müssen also hauptsächlich durchhalten“, sagt Elisabeth Pel, „damit im nächsten Jahr das Bienenleben weitergehen kann.“ Deswegen gibt es von ihnen auch jeweils nur einige tausend, wohingegen die Zahl der Sommerbienen nach Zehntausenden zu messen ist. Sie haben weniger zu tun, leben dafür aber länger.

Die Ernte dieses Jahres ist bereits eingebracht. Die elf Wabenrahmen pro Wohnkiste haben wieder je 2 kg Honig gebracht. Doch Elisabeth Pel entnimmt nicht die ganze Ausbeute: „Ich versuche die Bienen artgerecht zu halten und lasse ihnen 5-6 Kilo, damit sie gut über den Winter kommen“, sagt sie. Das Schleudern macht sie zuhause in der Küche per Schleuder mit Handkurbel. Und dann vergisst sie auch nicht die Fenster zu schließen. Denn selbst bei nur angelehntem Fenster erhalten Bienen von dem Vorgang Kenntnis und versammeln sich davor. Und dann muss die Imkerin lächeln, als sie sagt: „Schließlich gibt es für Bienen nichts Schöneres als Honig.“

Ottmar Fischer