Arbeit im Frauenhaus
Das Selbstbewußtsein muß erst sehr, sehr wachsen bei den meisten Frauen. Dieses Verprügeltwerden, das macht die Frauen fertig, das macht sie klein und ratlos und gesundheitlich völlig gestresst. Viele haben wahnsinnig viele blaue Flecken am ganzen Körper und gebrochene Rippen, du kannst es nicht glauben! Dann müssen sie sich einrichten im Haus, mit den anderen Frauen, Mädchen und Jungen klarkommen, ihre Kinder versorgen, sie müssen alleine einkaufen und kochen. Und sie müssen auch einige Dienste im Haus machen, im Frauenbüro z.B., da sitzen die Frauen und passen auf, wer klingelt und wer raus und rein darf, wen sie nicht kennen, der darf nicht rein! Manche lernen dabei deutsch, denn es kommen ja auch viele Frauen aus anderen Ländern.
Der Lernprozeß. Es muß alles geregelt werden, entweder mit dem Sozialamt oder mit der Arbeit und mit dem Kindergarten oder der Schule, oder mit dem Familiengericht - wir beraten die Frauen, zu welchen Ämtern sie müssen und wo die sind. Manchmal müssen wir ihnen helfen, damit sie sich überhaupt zurechtfinden, denn manche Frauen waren noch nie alleine unterwegs. Sie lernen, wie man das selbständig arrangiert und daß man auch zuverlässig hingeht, diese ganzen Dinge. Und sie brauchen eine Wohnung, die einzurichten ist.
Die Kinder. Die meisten Frauen, die ins Frauenhaus kommen, haben Kinder, oft mehrere junge, auch Babies, aber auch größere Kinder. Und was meinst du, wie die Kinder aufblühen! Für sie ist das wie ein Geschenk, sie wurden auch unterdrückt und fertiggemacht von dieser schrecklichen Situation zu Hause mit der ganzen Gewalt, und bei uns heißt es: keine Gewalt, auch gegenüber den Kindern nicht! Die werden ganz schön forsch, schon nach 2 Tagen, da gibt es viel Bewegung und Lärm.
Die Männer. Natürlich hat es über die Jahre hinweg Bestrebungen gegeben, die Männer einzubeziehen in die Arbeit. Aber wenn er sie hinterher total verprügelt, kann man das nicht verantworten. Eher ist angesagt, sich gegenüber den Männern stickum zu verhalten, keine Spuren zu legen, wo das Haus ist, sich zurückzuhalten, weil sie den Bewohnerinnen und dem Frauenhaus sonst mit großer Angriffslust begegnen. Ich habe es oft er-lebt, daß eine Frau wiedergekommen ist, weil er sie entgegen dem Versprechen doch wieder geschlagen hat. Wenn sie sich entscheidet, zurückzugehen, beraten wir sie und versuchen ihr zu helfen, daß das gut geht. Jetzt gibt es ja dieses Gesetz, daß der Mann aus der Wohnung muß und sich in einem gewissen Umfeld nicht blicken lassen darf. Aber ganz viele lachen nur darüber, und man sollte nicht so tun, als wäre damit nun alles gelöst.“
Was war deine spezielle Arbeit?
„Wir haben z.B. verschiedene Gruppen mit den Frauen gemacht, eine Müttergruppe, in der sie ohne Angst über alles reden können, eine Fülle von Fragen kam auf den Tisch, und auch gegenseitige Teilnahme. Diese Zusammenarbeit hat viele Entlastungen geboten. Oder die Gruppe 'Kinder und Mütter spielen gemeinsam': Kreisspiele, Fingerspiele, Bauen, Turnen, Tanzen und alles, was wir uns so vorstellen konnten. So eine zermürbte Frau, die oft schon sehr lange verprügelt wurde, hat es schwer, sich die Zeit und Kraft für das Kind zu nehmen, ja? Ich habe auch Weiterbildungsberatung gemacht, ich hab ja Erwachsenenbildung gelernt, bin mit den Frauen zu speziellen Beraterinnen gegangen, wenn sie nicht die Kurve gekriegt haben, da hinzugehen. Es ist schwer für Frauen, die so geschädigt ins Frauenhaus kommen, sowas konkret durchzuhalten.
Auch das Vergnügen gehört zu einem selbständigen Leben! Wir sind auch zusammen ins Kino gegangen, oft mit Frauen, die das erstemal ohne Männer den Kurfürstendamm runterspaziert sind. Wir waren schwimmen, im Wasser Spaß machen, auch mit den Kindern. Wir sind in den Park gegangen, auf den Spielplatz, waren einigemale im Grips-Theater. Und manchmal waren wir tanzen.
Ich betrachte meine Arbeit als erfolgreich. Ich hab mir gesagt, wenn eine Frau z.B. angefangen hat, den Hauptschulabschluß nachzumachen, dann denke ich: auch wenn sie es unterbricht, dann war es nicht nur ein Reinfall, sondern sie hat Erfahrungen gemacht, die für sie wichtig waren, wo sie die Kompetenz hat, es noch einmal zu versuchen. Es war wichtig, ihr die Möglichkeit zu bieten. Auch wenn eine Frau schon einigemale da war und wiederkommt, dann ist es wichtig, ihr zu vermitteln: du kannst weiter mit mir reden, und ich rede auch mit dir!“
Karin Polke hat Erwachsenenbildung studiert und 9 Jahre im Frauenhaus gearbeitet.
Das Gespräch führte Sigrid Wiegand